Orientierung der Wale

Wale und Delfine sind perfekt an ein Leben im Meer angepasst. Zielsicher finden sie ihre Nahrung, erkennen Artgenossen, weichen Hindernissen aus, navigieren in der Meerenge hin und her. Doch wie orientieren sich die Wale – welcher Sinn ist dabei am wichtigsten? Schauen wir uns die Sinneswahrnehmung der Wale genauer an. 

Gewöhnlicher Delfin beim Spyhoping

Riechen

Für viele Fische ist der Geruchssinn enorm wichtig: Anhand der im Wasser gelösten Stoffe wittern die Tiere Nahrung oder Feinde. Haie erkennen potenzielle Beute zum Beispiel schon aus 75 Metern Entfernung.

Bei den Walen ging man lange Zeit davon aus, dass sie gar nichts riechen können. Die eigentliche Nasenöffnung – das heutige Blasloch – verschließt sich unter Wasser automatisch und auch die Riechnerven sowie das Riechzentrum im Gehirn sind fast völlig zurückgebildet.

Indigene Ureinwohner in Nordalaska beobachteten jedoch, dass Grönlandwale vom Ufer fernblieben, wenn die Jäger dort Feuer machten. Wissenschaftler untersuchten daraufhin den Bulbus olfactorius (Riechkolben) und die DNA erlegter Tiere und fanden heraus, dass Grönlandwale über Wasser einen recht guten Geruchssinn haben müssten. Ähnlich wie Seevögel könnten sie so ihre Nahrung aufspüren – Schwärme von Krill, deren Geruch sich auch über Wasser wahrnehmen lässt.

Inwieweit sich diese Erkenntnis auf anderen Walarten übertragen lässt, muss noch erforscht werden. Vom Menschen weiß man, dass Riechen und Schmecken stark vernetzt sind und bei Menschen ohne Geruchsinn auch der Geschmackssinn beeinträchtigt ist. Bestimmte Walarten bevorzugen jedoch bestimmte Beutefische. Wie ist das vereinbar mit einem verlorengegangenen Geruchssinn? Sicher wird die Zukunft hier noch weitere Erkenntnisse bringen.

Sehen

Die Augen der Wale befinden sich an der Seite und sind unabhängig voneinander beweglich. Das ermöglicht den Tieren, in fast alle Richtungen zu schauen. Die Überlappung der Sehfelder ist nach unten am größten, dreidimensionales Sehen funktioniert also am besten in die Tiefe. So haben die Wale auch an der Wasseroberfläche immer im Blick, was unter ihnen geschieht und können Feinde schnell erkennen.

Licht wird im Wasser jedoch stärker absorbiert als in der Luft. Weiter als 10 bis 20 Meter kann man als Mensch im Meer nicht sehen und in einer Wassertiefe von 60 m ist es für das menschliche Auge meist schon stockdunkel. Zur Lichtverstärkung besitzen die Augen von Walen Spiegelzellen. Mit denen können sie ähnlich wie Katzen das vorhandene Restlicht verstärken, was ihnen einen gewissen Vorteil in dunklen Tiefenzonen verschafft. Trotzdem ist der Sehsinn für Wale nicht der wichtigste Sinn.

Im folgenden Video mit Grindwalen in der Straße von Gibraltar bekommst du einen Eindruck von der Sicht und Akustik unter Wasser. Das Video entstand während einer Segeltour mit unserem Meeresbiologen und wurde uns von Piotrek aus Polen zur Verfügung gestellt. 

Hören

Während die Schallgeschwindigkeit an der Luft etwa 340 m/s beträgt, liegt sie im Wasser bei ca. 1500 m/s. Laute breiten sich unter Wasser also mehr als 4x so schnell aus wie über Wasser. Aber können Wale Geräusche unter Wasser überhaupt wahrnehmen? Sie haben doch keine Ohren …

Vom Außenohr ist den Walen tatsächlich nur ein kleines Loch hinter den Augen geblieben. Zahnwale können damit vermutlich nur über Wasser hören.

Bei Bartenwalen befindet sich in diesem Loch ein Wachspfropf, der denselben akustischen Widerstand hat wie Wasser. Man nimmt an, dass Bartenwale auch unter Wasser mit dem Außenohr hören. Genau erforscht ist das Hören bei Bartenwalen noch nicht. Aber man weiß, dass sie Geräusche im Infraschallbereich, also unter 16 Hertz wahrnehmen und erzeugen können. Diese tiefen Töne sind besonders langwellig und legen im Wasser weite Strecken zurück. Auf diese Weise können sich Bartenwale über mehrere tausend Kilometer hinweg verständigen.

Aber wie hören Zahnwale?

Auch wenn das Außenohr den Zahnwalen nur über Wasser nützt – ihr Gehör funktioniert auch unter Wasser hervorragend. Zahnwale senden und empfangen Töne zwischen 100 Hz und 200.000 Hz, also auch im Ultraschallbereich ab 16.000 Hz. Im Vergleich dazu reicht die Skala bei uns Menschen selbst bei sehr gutem Gehör gerade einmal von 20 Hz bis 20.000 Hz. In der folgenden Grafik sind die Hörbereiche von Mensch und Zahnwal gegenübergestellt. Man kann deutlich erkennen, wie überlegen uns Wale im Hören sind.

Man könnte sgen, Zahnwale hören unter Wasser mit dem Mund, denn die Schallwellen werden über den Unterkiefer aufgenommen und von dort zum Mittelohr geleitet. Zahnwale empfangen auf diese Weise aber nicht nur passiv Geräusche aus der Umgebung. Sie hören auch das Echo ihrer selbst ausgesendeten Laute und können so Objekte unter Wasser orten. Diese Methode nennt man Echolokation.

So funktioniert Echolokation

Die Echolokation (auch Echoortung oder Biosonar genannt) ist für Zahnwale das beste Mittel zur Orientierung unter Wasser. Die Wale erzeugen Klicklaute, die sie durch Bewegung des Kopfes in eine bestimmte Richtung senden. Das von einem Objekt zurückgeworfene Echo erreicht den Wal zeitlich mehr oder weniger verzögert und klingt anders als der ausgesendete Ton. Das liefert dem Wal unter anderem Informationen zur Entfernung, Größe, Form und Beschaffenheit des Objektes. So lassen sich Freund, Feind, Beute und Hindernisse identifizieren oder die Entfernung vom Meeresboden bzw. der Wasseroberfläche abschätzen. Über eine Serie an Klicks lassen sich sogar Richtung und Geschwindigkeit von Objekten ermitteln.

Klicke auf die Info-Punkte und erfahre mehr über die Vorgänge bei der Echolokation.

Vergleichbar ist die Echolokation mit dem Ultraschall bei medizinischen Untersuchungen: Das Echo der ausgesendeten Schallwellen wird von den unterschiedlichen Gewebearten anders zurückgeworfen. Als Bild dargestellt sieht man dann hellere und dunklere Bereiche, an denen Fachleute die Beschaffenheit des Organs und eventuelle Auffälligkeiten erkennen können. 

Bei der Nahrungssuche erhöht sich die Klickrate, je näher der Wal der Beute kommt – am Ende hört es sich an wie eine knarrende Tür. Die Klicks bei der Echolokation haben eine hohe Frequenz und sind deshalb für Fische nicht hörbar. Bei Orcas auf der Jagd nach anderen Meeressäugern wurde hingegen beobachtet, dass sie keine Echolokation verwenden – vermutlich weil diese Tiere die Schallwellen ebenfalls hören können und so gewarnt wären.

Wusstest du übrigens, dass auch blinde Menschen lernen können, sich mithilfe der Echolokation zu orientieren? Bei unseren Quellen und Zusatzinfos am Ende des Themas findest du einen Link.

Magnetsinn

Man vermutet, dass Wale ähnlich wie Zugvögel, Fledermäuse und andere Tiere einen Magnetsinn (oder magnetischen Sinn) besitzen. Genau erforscht ist das aber noch nicht.

Der Magnetsinn befähigt die Tiere, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen und zur Orientierung zu nutzen. Es funktioniert sozusagen wie ein Kompass. Diese Fähigkeit könnte erklären, wie manche Walarten jedes Jahr lange Wanderungen von mehreren tausend Kilometern unternehmen, um zwischen den immer gleichen Aufenthaltsgebieten im Sommer und Winter zu wechseln. Auch Massenstrandungen werden teilweise mit Anomalien des geomagnetischen Feldes in Verbindung gebracht.

Zusammenfassung

In dieser Lektion hast du viel über die Orientierung und Sinneswahrnehmung der Wale gelernt. Was hast du dir gemerkt?

Wie möchtest du weitermachen?

Was interessiert dich als Nächstes? Möchtest du weitere Lernthemen auf firmm-education entdecken oder noch mehr über die Orientierung der Wale erfahren? Für beides haben wir hier ein paar Empfehlungen.

Lernthemen-Empfehlungen

Zu dem, was du hier über die Orientierung der Wale gelernt hast, passen folgende Themen gut:

Quellen und Zusatzinfos

Du möchtest dir noch mehr Wissen zur Orientierung der Wale aneignen? In unseren Quellen für dieses Lernthema findest du viele zusätzliche Informationen:

Stiftung firmm

Die Stiftung firmm setzt sich aktiv für die Erforschung und den Schutz von Walen und Delfinen und ihres Lebensraums Meer ein.

Unser Standort Tarifa an der Straße von Gibraltar dient als Forschungs­station und bietet allen Besuchern die Möglich­keit, die faszinierenden Meeressäugetiere in ihrem natürlichen Lebens­raum zu erleben.