Thunfischfang in der Meerenge

Thunfischfang hat in der Straße von Gibraltar eine lange Tradition. Jedes Jahr zieht der Rote Thunfisch (Thunnus thynnus) zum Laichen aus dem Atlantik durch die Meerenge ins Mittelmeer, wo schon die Fischer auf ihn warten. Doch inzwischen ist die Art stark gefährdet. Kann es mit der Fischerei so weitergehen?

In dieser Lerneinheit beschäftigen wir uns mit dem Roten Thun und seiner Bedeutung für die Fischerorte an der Straße von Gibraltar.

Der Rote Thun

Anders als die meisten Fische, sind Thunfische nicht wechselwarm, sondern haben eine relativ konstante Körpertemperatur, die bis 12 Grad über der Umgebungstemperatur liegen kann. Das macht die Tiere toleranter gegenüber Temperaturschwankungen und ermöglicht ihnen große Wanderungen. Der Rote Thun im Ostatlantik zieht zum Beispiel jedes Frühjahr zum Laichen durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer und anschließend wieder zurück in den kalten Norden, bis nach Schottland und Norwegen.

Info-Box

wiss. Name Thunnus thynnus
weitere Namen Blauflossenthunfisch, Großer Thun, Nordatlantischer Thun
Größe ⌀ 3 m (max. 4,5 m)
größter Fang: 4,58 m
Gewicht über 650 kg
schwerster Fang: 684 kg
Lebenserwartung 15 Jahre
Geschlechtsreife 4-5 Jahre (mind. 1,2 m, 30-40 kg)

Roter Thun als Speisefisch

Der Thunfisch ist ein beliebter Speisefisch und wird auch in der Straße von Gibraltar schon seit Jahrtausenden gefangen. Bereits die Wirtschaft der römischen Stadt Baelo Claudia, die im 2. Jahrhundert vor Zeitrechung gegründet wurde, basierte größtenteils auf dem Thunfischfang. In den Ruinen der Stadt, am Strand von Bolonia, kann man noch die Überreste der Fabriken sehen, in denen der Fisch eingesalzen wurde, um danach weiterverkauft zu werden.

Fangmethoden in der Straße von Gibraltar

In der Straße von Gibraltar gibt es mehrere Fischerorte, deren lokale Wirtschaft fast ausschließlich auf der Fischerei basiert. Thunfische werden hier kommerziell mit der Almadraba und mit Handleinen gefangen.

künstlerische Darstellung des historischen Fischfangs in Tarifa

 

Die Almadraba

Wenn im Frühling die Gewässer der Straße von Gibraltar 19-24°C erreichen, kommen die Thunfische ins Mittelmeer um zu laichen. Sie ziehen oft nah an der Küste entlang, wo die Fischer ein labyrinthartiges Reusensystem aufgebaut haben, die Almadraba.

Diese Fangmethode basiert auf den von den Römern in Baelo Claudia eingesetzten Netzen und hat sich in den letzten tausend Jahren kaum noch verändert. Der Name Almadraba stammt aus dem Arabischen und bedeutet in etwa Ort, an dem geschlagen wird.

Klicke auf die Info-Punkte und lerne, wie der Thunfischfang mit der Almadraba funktioniert.

Entlang der Straße von Gibraltar wird die Almadraba in mehreren Orten eingesetzt. Die Almadrabas der Meerenge bieten ca. 500 Personen direkt, und weiteren 200 Personen indirekt eine dauerhafte Einnahmequelle. Der Almadraba-Thunfisch ist der teuerste und begehrteste in Spanien und wird auch sehr teuer nach Japan exportiert. Noch vor einigen Jahren gingen 90 Prozent des Fangs nach Japan, heute sollen es nur noch 50 Prozent sein.

Offiziell wird diese Fangmethode als nachhaltig und sehr selektiv bezeichnet, da die Maschen der Netze groß genug für kleinere Fische und andere Meerestiere seien, um hindurchzuschwimmen. Allerdings werden während der Almadraba-Saison immer wieder tote Schildkröten und Fische mit zerfetzem Kopf gefunden, was auf ein Hängenbleiben im Netz schließen lässt. Auch Haie sind schon darin verendet. Ein weiteres Problem ist, dass die Thunfische auf dem Weg ins Mittelmeer, also vor dem Laichen abgefangen werden. Diese Tiere können sich nicht fortpflanzen, was langfristig zur Ausrottung der Art führen kann.

Leinenfischer

Im Sommer, wenn die Thunfische nach dem Laichen vom Mittelmeer zurück in den Atlantik schwimmen, werden sie von den Fischern mit bis in 200 Meter Tiefe reichenden beköderten Leinen erwartet. Die Fischer nutzen vor allem zwei Unterwasserberge, an denen die Thunfische bis auf 200 Meter unter Null aufsteigen müssen um in den Atlantik zu kommen.

Die Leinenfischerei ist im Grunde die nachhaltigste Fangmethode. Die Tiere werden erst nach dem Ablaichen gefischt und es fällt der wenigste Beifang an.

Thunfischmast

In Barbate werden Thunfische auch in Aquakultur gehalten. Derzeit gibt es sechs Becken mit einer Gesamtkapazität von 1000 Tonnen. Die Thunfischmast beginnt unmittelbar nach dem Fang im Frühjahr und dauert bis September oder Oktober. Die Mastbecken befinden sich nahe der Flussmündung des Flusses Barbate, der im Herbst, sobald der Regen einsetzt, viel Süßwasser in die Bucht befördert. Daher ist die Mast ab Herbst nicht mehr sinnvoll.

Für die Ernährung der Thunfische werden je nach Verfügbarkeit auf dem Markt hauptsächlich frische und gefrorene Makrelen eingesetzt. Oftmals stammen die frischen Makrelen von der Auktionshalle in Barbate.

Die Tötung der Thunfische erfolgt mittels speziell auf die Unterwasserverwendung abgestimmter Bolzenschussgeräte, den sogenannten Luparas. Dadurch wird erreicht, dass das Tier sofort stirbt und weniger Stress erleidet, sodass sich weniger Milchsäure in den Muskeln bildet. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da der gesamte Thunfisch dieser Art für den japanischen Markt bestimmt ist, wo er roh verzehrt wird.

Thunfische und Orcas

Lange vor uns Menschen hatten bereits die Orcas in der Meerenge den Thunfisch für sich entdeckt. Die drei Orca-Subrudel, die in die Straße von Gibraltar kommen, leben ausschließlich von Thunfisch, das Subrudel vor Barbate ernährt sich auch von Makrelen. Schon die Phönizier erkannten vor fast 3000 Jahren: Dort, wo Orcas auftauchten, waren auch Thunfische in der Regel nicht weit. Das machten auch sie sich schließlich zunutze.

Im Frühjahr lauern die Orcas in flacheren Bereichen der Bucht von Barbate und dem Golf von Cádiz. Tiefer als 300 Meter tauchen Orcas nämlich normalerweise nicht. Im flachen Gewässer treiben sie die Thunfischschwärme durchschnittlich eine halbe Stunde lang vor sich her, bis diese ermüden und einfache Beute sind. Bis zu 7 Schwertwale bilden dabei eine Kette, 100-150 Meter voneinander entfernt. Diese aufwendige Jagdtechnik kostet zwar viel Energie und ist nur für kleinere Thunfische (bis 1,5 Meter) geeignet, aber effektiv.

Große Thunfische, die bis zu 80 km/h schwimmen könen, sind für die maximal 55 km/h schnellen Orcas hingegen nicht so leicht zu fangen. Aber dafür haben die Orcas einen weiteren Jagdtrick: Sie halten sich in der Nähe der Boote auf und schnappen sich den Thunfisch direkt von den Leinen der Fischer, die dann manchmal nur noch den Kopf aus dem Wasser holen.

Es ist mittlerweile erwiesen, dass die Orcas einen großen Nutzen von den Fischern haben, vor allem die Kälber profitieren vom Fang größerer Fische und überleben das erste Jahr besser als Kälber aus Subrudeln, die sich den Fischern nicht nähern.

Schlechte Aussichten für den Thunfisch

Roter Thun erzielt auf dem Markt hohe Preise und wird deshalb gnadenlos gefischt. Inzwischen beträgt der weltweite Bestand des Roten Thuns nur noch 3 Prozent der vermuteten ursprünglichen Zahlen. In der Liste der bedrohten Arten der IUCN ist diese Art als stark gefährdet gelistet. Die Hauptursache der Überfischung liegt bei den Ringwaden im Mittelmeer.

Orcas und Fischer in der Straße von Gibraltar machen nur etwa 0,65 % des gesamten spanischen Thunfischfangs aus. Doch auch die in der Meerenge gefangenen Tiere werden immer weniger und kleiner. Laut Tafel mit Mindestgrößen dürfen die Tiere schon gefangen werden, wenn sie noch gar nicht geschlechtsreif sind (vgl. Info-Box oben). Das widerspricht natürlich einer nachhaltigen Fischerei. Je weniger Tiere sich fortpflanzen können, desto schneller bringen wir den Thunfisch zum Aussterben.

Tafel in Tarifa mit Mindestgrößen für gefangene Fische

Auf dem historischen Foto unten ist der größte in der Straße von Gibraltar gefangene Rote Thun abgebildet. Nehmen wir im Vergleich dazu die aktuellen Fotos auf dieser Seite, sehen wir schnell, wie schlecht es um diese Art inzwischen bestellt ist.

Fangquoten und illegale Fischerei

Um den Druck von dieser gefährdeten Fischart zu nehmen, wurden vom spanischen Fischereiministerium die Fangzeiten eingeschränkt und Fangquoten festgelegt.

Dies hat unter anderem auch zum Ziel, die ebenfalls vom Aussterben bedrohten Orcas in der Straße von Gibraltar zu schützen, die etwa so viel Thunfisch brauchen, wie die Fischer pro Jahr fangen. In den letzten Jahren sehen wir Orcas jedoch immer seltener bei den Fischern. Die Konkurrenz um den Fisch ist so groß geworden, dass die Fischer vor kaum einem Mittel zurückschrecken, um die Orcas zu vertreiben.

Zu einer Erholung des Thunfischbestandes haben Fangzeiten und Fangquoten jedoch nicht geführt, denn dadurch hat die illegale Fischerei zugenommen. Viele Bootsbesitzer in der Meerenge, für die die kommerzielle Fischerei nicht mehr rentabel war, vermieten ihre Boote nun für Angeltrips an Touristen, was die Situation nicht verbessert. 

Der illegale Fang des Roten Thuns ist ein offenes Geheimnis in andalusischen Häfen. Es mangelt vor allem an der Durchsetzung und Kontrolle der bestehenden Gesetze. Doch wenn hier nicht schleunigst ein Umdenken stattfindet, wird der Rote Thun – und ebenso die Orca-Population in der Meerenge – nicht mehr zu retten sein.

Zusammenfassung

Auf dieser Seite hast du gelernt, wie schlecht es um den Roten Thun steht und dass dringend mehr für den Schutz dieser Art getan werden muss. Beantworte folgende 10 Fragen in unserem Abschlussquiz und finde heraus, ob du dir die wichtigsten Punkte gemerkt hast.

Wie möchtest du weitermachen?

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Lernthemen-Empfehlungen

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Quellen und Zusatzinfos

Du möchtest noch mehr über Thunfische und den Thunfischfang in der Straße von Gibraltar erfahren? In unseren Quellen für dieses Lernthema findest du viele zusätzliche Informationen:

Stiftung firmm

Die Stiftung firmm setzt sich aktiv für die Erforschung und den Schutz von Walen und Delfinen und ihres Lebensraums Meer ein.

Unser Standort Tarifa an der Straße von Gibraltar dient als Forschungs­station und bietet allen Besuchern die Möglich­keit, die faszinierenden Meeressäugetiere in ihrem natürlichen Lebens­raum zu erleben.